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Bidentetea-Gesellschaften 

Bidentetea-Gesellschaften

1. Einleitung

Die Wuchsorte der Bidentetea-Gesellschaften sind Uferbereiche von eutrophen Stillgewässern, Flüssen, verschmutzen Gräben und Rieselfeldern. Bidentetea-Gesellschaften sind vor allem von den Mittel- und Unterläufen der großen Flüsse bekannt, sofern deren Ufer im Verlauf der Vegetationsperiode vom Wasser freigegeben werden und somit für eine vorübergehende Besiedlung zur Verfügung stehen. Nach übereinstimmender Einschätzung vieler Autoren hat es Bidentetea-Gesellschaften kleinflächig auch in der Naturlandschaft gegeben, so an den Ufern großer Flüsse, an Wildschweinsuhlen und sonstigen vom Großwild zertretenen Ufern. Hard wies 1993 darauf hin, daß Bidention-Gesellschaften als hochgradig verinselte Vegetationsbestände angesehen werden müssen - was freilich nicht für das flußbegleitende Chenopodion rubri gilt. Die Zusammensetzung der aktuellen Vegetation wird stark vom Diasporenvorrat im Substrat und der Diasporenzufuhr aus der Umgebung gesteuert. Ob das Alter des Habitates eine Rolle spielt, kann aus dem derzeitigen Kenntnisstand heraus nicht entschieden werden.

An Gewässerufern [am + natürlichen Standort] sind die Bidentetea-Gesellschaften Dauer-Pioniergesellschaften, die allerdings oft nur eine Vegetationsperiode zu beobachten sind, was insbesondere für urban-industrielle Lebensräume gilt.

2. Habitate

Die ohnehin dynamischen Habitate der Bidentetea-Gesellschaften unterlagen in den vergangenen 150 Jahren weitreichenden Veränderungen. So spielen Dorfteiche als klassische Wuchsorte kaum noch eine Rolle, offene Abwassergräben in den Dörfern wurden im Zuge der Verstädterung verrohrt. Zeitgleich entstanden mit den Rieselfeldern der Großstädte und den Absetzbecken der Zuckerfabriken wichtige neue Lebensräume für Schlammufer-Pioniergesellschaften.

Rieselfelder wurden in verschiedenen Städten Norddeutschlands untersucht: Braunschweig (Brandes in Tüxen 1979, Brandes 1985), Hannover (Tüxen 1979), Münster (Runge 1978), Potsdam (Fischer 1988), Wolfsburg (Griese 1999). Die erst wenige Wochen trockenliegenden Becken der Wolfsburger Rieselfelder wiesen nach Griese (1999) üppige Bestände von Atriplex prostrata, Bidens cernua, Chenopodium rubrum, Polygonum persicaria, Polygonum lapathifolium und Rumex maritimus auf. Auf länger trockenliegenden Flächen konnten sich wie auch in den ungenutzten Rieselfeldern anderer Städte vor allem Phalaris arundinacea-Dominanzbestände, Urtica dioica-Herden sowie Conium maculatum-Herden entwickeln. Der Zenit dieses Habitattyps ist inzwischen längst wieder überschritten: nur noch sehr wenige Städte betreiben Rieselfelder, deren Ende ist abzusehen.

Müll- und Klärschlammdeponien scheinen wichtige Refugien für Bidentetea-Arten darzustellen, wenn auch Wasserstandsschwankungen zumeist fehlen. So fanden sich nach auf Braunschweiger Mülldeponien (BS) sowie auf der Wolfsburger Mülldeponie (WOB) die folgenden Bidentetea-Arten (Janssen & Brandes 1984; Griese 1999):

Atriplex prostrata (BS, WOB)
Bidens frondosa (WOB)
Bidens tripartita (BS)
Brassica nigra (WOB)
Chenopodium ficifolium (BS)
Chenopodium glaucum (BS, WOB)
Chenopodium polyspermum (BS, WOB)
Chenopodium rubrum (BS, WOB)
Echinochloa crus-galli (BS, WOB)
Erysimum cheiranthoides (BS, WOB)
Polygonum hydropiper (BS)
Polygonum lapathifolium ssp. lapathifolium (BS, WOB)
Polygonum lapathifolium ssp. danubiale (BS)
Polygonum minus (BS)
Ranunculus sceleratus (BS, WOB)
Rumex maritimus (BS)
Tripleurospermum perforatum (BS, WOB)

Mengenmäßig sind es vor allem Chenopodion rubri-Arten und Bidentetea-Klassenkennarten, die weniger feuchtigkeitsbedürftig als viele Bidention-Arten sind. Ein ähnliches Artenspektrum kann sich auch auf Schlammdeponien kommunaler Kläranlagen entwickeln, die durch zusätzliche floristische Besonderheiten wie unbeständig auftretende Nahrungspflanzen (Citrullus lanatus, Lycopersicon esculentum) sowie die ganze Palette der Vogelfutterpflanzen enthalten können.

Absetzbecken der Zuckerfabriken wurden z. B. von Zaliberová (1978), Brandes (1986), Wißkirchen (1985 u. 1986) sowie Holst & Kintzel (1995) untersucht. Stilllegungen und Fusionen von Zuckerfabriken reduzieren wiederum die Lebensmöglichkeiten für Bidentetea-Gesellschaften.

Als relativ neue Habitate spielen die Ufer von Talsperren im Mittelgebirgsraum ebenfalls eine größere Rolle. Untersuchungen wurden u. a. von den folgenden Autoren veröffentlicht: Schwickerath (1952), Burrichter (1960), Runge (1960, 1968, 1975, 1977), Galunder & Patzke (1989), Wiegleb (1979), Brandes (1992). Die Vegetation der landwirtschaftlichen Wasserspeicher des Thüringer Beckens wurde von Westhus (1987) untersucht.

Der Flussausbau [mit Buhnen] der Mittel- und Unterläufe der großen Flüsse mit Buhnen schuf neue großflächige Siedlungsmöglichkeiten für Bidentetea-, insbesondere für Chenopodion rubri-Gesellschaften. Die Wuchsbedingungen der Chenopodion rubri-Gesellschaften der Flußufer wurden zweifellos auch durch Eutrophierung erheblich verändert [und verbessert].

Durch technische Voraussetzungen erst in den letzten Jahrzehnten ermöglicht, entstanden mit den riesigen Spülflächen an Elbe und Weser (z. B. Bernhardt & Handke 1988) auch kurzfristig neuartige Lebensräume für Bidentetea-Arten.

Schließlich bieten auch sog. „Biotop-Neuanlagen“ kurzfristig Lebensmöglichkeiten für Bidentetea-Arten.

Mengenmäßig dürften die großtechnisch geschaffenen Lebensräume der Bidentetea-Arten und –gesellschaften heute eine wesentlich größere Bedeutung aufweisen als die klassischen Habitate. Mit Klärschlämmen wurden die Diasporen zahlreicher Atriplex- und Chenopodium-Arten weithin verschleppt, wodurch es zu neuen Artenkombinationen [insbesondere mit Stellarietea-Arten] und somit auch zu syntaxonomischen Irritationen über die Zugehörigkeit der Ordnung Bidentetalia kam.

3. Kenn- und Trennarten der Bidentetea

Der Kern der Schlammufer-Vegetation ist jedoch aufgrund seiner ökologischen Besonderheiten leicht von anderen Vegetationsklassen abzutrennen; er besteht in Deutschland aus etwa 30 Kenn- und Trennarten :

Alopecurus aequalis
Atriplex prostrata
Atriplex patula
Bidens cernua
Bidens connata
Bidens frondosa
Bidens radiata
Bidens tripartita
Brassica nigra
Chenopodium ficifolium
Chenopodium glaucum
Chenopodium polyspermum
Chenopodium rubrum
Corrigiolla litoralis
Echinochloa crus-galli
Eragrostis albensis
Erysimum cheiranthoides
Polygonum hydropiper
Polgonum lapathifolium ssp. lapathifolium
Polygonum lapathifolium ssp. danubiale
Polygonum minus
Polygonum mite
Potentilla supina
Pulicaria vulgaris
Ranunculus sceleratus
Rorippa palustris
Rumex maritimus
Rumex palustris
Spergularia echinosperma
Tripleurospermum inodorum
Xanthium albinum
Xanthium saccharatum

Je nach Standort, Wasserstandsdynamik und Ausbreitungszufällen können wechselnde Artenkombinationen auftreten, wobei häufig eine Art zur Dominanz kommt. Es erscheint daher sinnvoll, sich zunächst mit der Biologie [Ökologie] dieser Arten zu beschäftigen.

4. Neophyten



[i] zuletzt aktualisiert: 16.11.2015                                                                                                                                                    
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