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Ruderale Mikrohabitate in Einzeldarstellungen

Ruderale Mikrohabitate in Einzeldarstellungen

In zwangloser Folge werden Ökologie und Arteninventar ausgewählter ruderaler Mikrohabitate dargestellt:


Ruderalvegetation salzbeeinflußter Habitate 

Ruderalvegetation salzbeeinflußter Habitate

Außer den primären, d.h. natürlichen bzw. naturnahen Binnensalzstellen gibt es auf Bergwerks- und Industriegelände sowie entlang von Verkehrswegen sekundäre, d.h. anthropogene Salzstellen. Die Vegetation sekundärer Salzstellen gehört gemäß unserer Definition zur Ruderalvegetation, da es sich um die krautige Vegetation anthropogener Standorte handelt, die zudem nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Wichtigster Standortsfaktor dürfte der erhöhte Salzgehalt (zumeist Natriumchlorid oder Natriumsulfat) sein, mechanische Störungen spielen erst in zweiter Linie eine Rolle.

Die sekundären Salzstellen stellen Inselhabitate für Halophyten [und halobionte Tiere] dar, so daß sie auch für die biogeographische Forschung von Bedeutung sind.

Als besonders interessant hat sich das Studium der Besiedlung von Abraum- und Rückstandshalden der Kali-Industrie erwiesen, die man als "Inselberge" unserer Kulturlandschaft einstufen könnte. Auf den über 80 Rückstandshalden in Deutschland traten in den letzten 10 bis 15 Jahren zahlreiche, bislang im Binnenland seltene und/oder bislang nicht beobachtete Arten auf. Zu diesen gehören einheimische salztolerante Arten, die bislang im Binnenland nur von primären Salzstellen bekannt waren. Beispiele für diese Sippen sind in Niedersachsen:

Aster triplolium
Bupleurum tenuissimum
Glaux maritima
Hymenolobus procumbens
Juncus gerardii
Lotus glaber
Puccinellia distans
Salicornia ramosissima
Spergularia salina
Trifolium fragiferum
Triglochin maritimum

Bezogen auf die Populationsgrößen vieler im Binnenland bedrohter Halophyten fungieren die Sekundärstandorte inzwischen als wichtige Refugien.

Ebenso treten Arten auf, die bisher nur von den Küsten her bekannt waren, oder längst an den primären Binnensalzstellen Niedersachsens ausgestorben waren, wie z. B.:

Atriplex littoralis Cochlearia danica Spergularia maritima Suaeda maritima

Fast immer finden sich salztolerante Adventivpflanzen, die zum Teil erstmals an den Abraumhalden im Gebiet beobachtet wurden:

Atriplex rosea Atriplex tatarica Bassia scoparia Diplotaxis muralis Gypsophila perfoliata Gypsophila scorzonerifolia Hordeum jubatum Lepidium latifolium

Die Flora der Halden ist gut untersucht, der aktuelle Kenntnisstand ist bei Brandes (1999) bzw. bei Garve (2000) zusammengefaßt. Leider läßt die Besiedlung der Halden durch die neu aufgetretenen Arten keinerlei Muster erkennen: Zusammenhänge zwischen Alter, Flächengröße und Lage zur nächsten Diasporenquelle einerseits und Artenzahl der halotoleranten Arten andererseits bestehen offensichtlich nicht (Guder, Evers & Brandes 1998). Der Ausbreitungsvektor ist unbekannt.

Das eigene Forschungsprogramm sieht folgende Punkte vor:

  • Die Ruderalvegetation der Halden und ihrer Umgebung soll eingehend untersucht werden, wobei auch die Anlage von Dauerflächen für ein Langzeitmonitoring vorgesehen ist.
  • Die Kartierungsergebnisse der Halden liefern deutliche Hinweise auf die Salztoleranz vieler Ruderalpflanzen, die bislang nicht bekannt war. Daher wird ein Screening der Salztoleranz durch Messungen am Standort sowie durch Kulturexperimente durchgeführt. Eine Checkliste der salztoleranten Pflanzen des Binnenlandes in Deutschland steht kurz vor ihrer Publikation.
  • In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Professor Nienartowicz (Universität Torun) ist die europaweite Untersuchung der binnenländischen Halophytenvegetation vorgesehen, wobei allerdings die natürlichen bzw. naturnahen Salzstellen im Vordergrund stehen.

Literaturhinweise:

Brandes, D. (Hrsg.) (2011): Halophytes and nitrophytes of disturbed sebkhas in the Sahel of Sousse (Tunisia)

Garve, E. (2000): Halophyten an Kalihalden in Deutschland und Frankreich (Elsass). - Tuexenia, 20: 375-417.

Brandes, D. (Hrsg.) (1999): Vegetation salzbeeinflußter Habitate im Binnenland. - Braunschweig. 270 S. (Braunschweiger Geobotanische Arbeiten; 6.)

Guder, C., C. Evers & D. Brandes (1998): Kalihalden als Modellobjekte der kleinräumigen Florendynamik dargestellt an Untersuchungen im nördlichen Harzvorland. - Braunschweiger Naturkundliche Schriften, 5: 641-665.
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00001176



[i] zuletzt aktualisiert: 11.04.2024                                                                                                                                                    
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